Filmbranche, Militär und Privatpersonen – damit scheint das Einsatzgebiet von Drohnen schnell umrissen. Aber wer so denkt, denkt zu eng: beispielsweise entfallen bereits fünf Prozent der industriellen Drohnen-Nutzung schon heute auf den Transportbereich. Und im Rettungswesen, bei Katastropheneinsätzen oder in unzähligen Bereichen der Inspektion werden die unbemannten Flugobjekte schon sehr erfolgreich eingesetzt und sind nicht mehr wegzudenken. 

Prof. (FH) Mario Döller, Rektor der FH Kufstein und ausgewiesener Drohnenexperte, erzählt in dieser Episode im Gespräch,

  • wo die technischen Möglichkeiten und die Grenzen von Drohnen liegen,
  • welche erfolgreichen B2B-Cases es in diesem Bereich bereits gibt,
  • welche gesetzlichen Bestimmungen Drohnenpilot:innen berücksichtigen müssen,
  • wo es heute schon Flugtaxis und Paketdrohnen gibt,
  • wie Datenschutz und Drohnen zusammenpassen,
  • was es braucht, damit Drohnen autonom fliegen können,
  • warum Lilium-Jet, Volocopter und EHang nicht vom Fleck kommen,
  • was man unter der Drone Strategy 2.0 versteht und
  • warum Du Drohnen aus dem Nachbargarten lieber nicht herunterschießen solltest.

Einsatzgebiete von Drohnen heute

1. Rettungswesen / Drohnen retten Leben!

Für Feuerwehren und Rettungskräfte sind die unbemannten Flugobjekte fast schon alltägliche Begleiter, weil sie schnell, kostengünstig und an verschiedenste Umfeldbedingungen anpassungsfähig sind (z. B. bei Nebel oder Dunkelheit). Bei Gefahrgutunfällen können Drohnensysteme beispielsweise einen Sensorball abwerfen, der wichtige Informationen liefert, ohne Rettungskräfte in Gefahr zu bringen.

Ob bei der Vermisstensuche oder im Katastropheneinsatz – Drohnen mit (Wärmebild-)Kameras können Leben retten. Darüber hinaus kontrollieren sie – z. B. in Bayern – bei Großereignissen Fluchtwege und Massenbewegungen aus der Luft oder entdecken gefährliche Engstellen.

2. Inspektion als Wirtschaftsfaktor

Auch zur Wartung von normalerweise schwer bzw. nur aufwändig zugänglichen Brücken, Gas- oder Öltankern sowie Strommasten werden Drohnen hinzugezogen. Sie sind kostengünstiger, kommen leichter an das Bauwerk heran und machen Bild- und Videoaufnahmen, die danach analysiert werden.

Drohnen erstellen auch exakte 3D-Modelle von Städten, Landschaften oder Häusern, die z. B. für digitale Zwillinge verwendet werden. Nicht zuletzt ist es z. B. für die Vermessung eines Schotterhaufens bequemer, eine Drohne darüberfliegen zu lassen, als mit der Schaufel anzurücken.

3. Land- und Forstwirtschaft

In der Land- und Forstwirtschaft finden Drohnen bereits sehr breite Anwendung. Die Sensormessungen als Grundlage für Bewässern und Düngen großer Flächen wird weltweit vielfach bereits mit Hilfe von Drohnen durchgeführt. Sie liefern auch Bilder von einem eventuellen Schädlingsbefall oder einer Brandgefahr im Wald. Eine Firma in Kanada setzt Drohnen sogar zur Aufforstung im alpinen Gelände ein: Die Flugobjekte sind mit Saatgut und Pflanz-Equipment ausgerüstet und setzen die jungen Bäume selbständig in den Boden ein – das Ergebnis ist eine deutlich höhere Aufforstungsrate.

4. Transportbereich

Auch wenn es Flugtaxis und Paketdrohnen in China oder Dubai bereits gibt – bei uns sind Drohnen als Transportmittel vor allem im medizinischen Bereich im Einsatz: So gibt es z. B. in Antwerpen erste Versuche, Blutkonserven mittels Drohnen von Krankenhaus zu Krankenhaus zu fliegen; bei Erfolg soll diese Methode später auch auf den Transport von Spenderorganen ausgeweitet werden.

Auch in entlegenen und dünn besiedelten Gebieten in Australien oder Afrika sind solche medizinischen Transporte bereits etabliert. Dort – ebenso wie auf Ölplattformen oder schwer zugänglichen Almen – werden Drohnen auch bereits zur Versorgung mit Lebensmitteln u. a. Produkten eingesetzt.

Die zukünftige Entwicklung

„Was die technischen Möglichkeiten betrifft, so sind der Entwicklung von Drohnen kaum Grenzen gesetzt“, weiß Mario Döller. „Sie können bereits jetzt bis zu 100 kg transportieren, es braucht dafür nur genügend Aufwind. Dieser hängt allerdings von der Größe der Rotoren ab – und das ist wiederum eine Frage der Sicherheit. Schließlich ist es in dichter besiedelten Gebieten nicht egal, was vom Himmel fällt.“  

Derzeit dürfen Drohnen in Europa nur innerhalb des Blickfeldes von Pilot:innen fliegen. In

Zukunft werde hier viel stärker auf Automatisierung gesetzt werden, meint Drohnenexperte Döller. So sollen z. B. Drohnen bei der Vermisstensuche automatisch ganze Berghänge abfliegen können – und zwar „beyond visual line-of-sight“ (BVLOS). Als weiterer Entwicklungsschritt könnten nicht mehr einzelne Fluggeräte, sondern ganze Drohnenschwärme eingesetzt werden, um die Effizienz zu steigern.

Gerätetypen und Technologien

Von der Minidrohne mit einem Gewicht von wenigen Gramm bis hin zur Dimension eines Verkehrsflugzeuges – alles ist möglich. Die Größe einer Drohne ist abhängig von der Last, die sie tragen muss, wobei Drohnen in Flugzeuggröße fast ausschließlich im militärischen Bereich vorkommen.

Drohnen fliegen fast immer batteriebetrieben. Dadurch sind der Flugdauer Grenzen gesetzt – und auch die Ladezeit bedeutet dementsprechend eine Einschränkung. Ein aktuelles Forschungsprojekt von Mario Döller ist daher eine Wasserstoffdrohne mit einer Größe von zwei mal zwei Metern, die vier Stunden in der Luft bleiben soll.

Generell unterscheidet man drei Drohnentypen:

Quadrocopter mit Propellern

Das sind die herkömmlichen Kameradrohnen, die man in im Geschäft kaufen kann. Sie können vertikal landen und starten und sind bei Inspektionen Standard.

Flügelsysteme

Sie sind für längere Strecken besser geeignet und werden v. a. für den Transport von medizinischen Produkten eingesetzt.

Hybride Systeme
Sie sind wingbasiert für weite Strecken und gleichzeitig mit Propellern für vertikales Landen und Starten ausgerüstet.

Gesetzliche Rahmenbedingungen

Wenn immer mehr Drohnen den Luftraum bevölkern, braucht es Regeln – wie im Straßenverkehr auch. Vor allem im Zusammenspiel mit anderen Luftverkehrsteilnehmern (wie Flugzeugen oder auch Rettungshubschraubern) benötigt es klare Regelungen, um Katastrophen zu verhindern. Als Beispiel für die Freuqenz von Drohnen in städtischen Lufträumen kann die Stadt Amsterdam dienen: laut Angaben der Amsterdamer Polizei gab es dort im Jahr 2021 rund 21.000 Drohnenaktivitäten, aber nur 2 % davon wurden von den Piloten gemeldet und registriert!

Flugraumsicherung

In Europa ist damit die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) befasst. Auf der Website ihrer nationalen Partnerin, der österreichischen Austro Control, finden Interessierte im „Dronespace“ alle nötigen Informationen – von der Einteilung und den Regularien über die Registrierung und Versicherung bis zum Drohnenführerschein und Drohnenflug.

Flugraumsicherung

In Europa ist damit die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) befasst. Auf der Website ihrer nationalen Partnerin, der österreichischen Austro Control, finden Interessierte im „Dronespace“ alle nötigen Informationen – von der Einteilung und den Regularien über die Registrierung und Versicherung bis zum Drohnenführerschein und Drohnenflug.

Zusätzlich erarbeitet die EU gerade die Drone Strategy 2.0. „Der Grund dafür ist der Wunsch nach einer starken Automatisierung von Drohneneinsätzen“, erklärt Döller. „Dafür braucht es eine geeignete Infrastruktur, denn sowohl Pilot:in als auch Drohne müssen jederzeit wissen, wo sich das Fluggerät befindet – und ausweichen können, z. B. vor einem Rettungshubschrauber.“

Datenschutz

Neben der Überwachung und Sicherung des Flugraums ist auch der Datenschutz ein wichtiges Thema: Die DSGVO gilt auch für Drohnen! Das heißt, dass Drohnenaufnahmen weder vervielfältigt noch ins Internet gestellt werden und keine Personen darauf erkennbar sein dürfen.

Den Drohnenflug des Nachbars über dem eigenen Garten darf man verhindern, wenn man nicht gefilmt werden will. Allerdings sollte dabei auf eine angemessene Wahl der Mittel geachtet werden: Herunterschießen ist überschießend. 😉

Führen Drohnen zu einem Überwachungsstaat?

Theoretisch könnte mit Hilfe von Minidrohnen jeder Schritt eines Menschen überwacht werden. Nicht wenige fürchten daher eine Einschränkung ihrer persönlichen Freiheit bis hin zum Gespenst eines vollständigen Überwachungsstaates. „Technisch wäre das zwar möglich“, meint dazu Mario Döller. „Aber wer sollte Interesse an und v.a. die Möglichkeit zur Auswertung dieser unfassbaren Datenmengen haben? Da mache ich mir eher Sorgen um jene Daten, die wir jetzt schon mehr oder weniger freiwillig an Facebook oder Google via Tracking liefern.“

Drohnen in der Kriegsführung

Nicht erst im Krieg gegen die Ukraine werden Drohnen zur Aufklärung und für bewaffnete Einsätze in der Kriegsführung verwendet. Wer den Luftraum beherrscht, hat kriegsentscheidende Möglichkeiten – da werden Drohnen leicht zu militärischen Game-Changern.

„Hier müssen wir sehr gut aufpassen, dass das nicht entgleitet“, warnt Döller. „Wir wissen nicht, wohin es führt, wenn der Einsatz von Drohnen stark automatisiert wird. Es braucht daher weltweite Regeln, die festlegen, wie viel Automatisierung man in Kriegssysteme einbauen darf. Denn eines ist klar: Die Maschine ist dem Menschen überlegen, das zeigen nicht zuletzt Drohnenrennen, bei denen menschliche Pilot:innen null Chance haben.“

Autonome Drohnen

Damit Drohnen computergesteuert operieren können, braucht es drei Säulen – die sogenannten „CNS“:

  • Communication: Die Kommunikation mit der Bodenstation muss zu jeder Zeit gegeben sein, auch um Navigationsdaten zu schicken.
  • Navigation: Die Drohne muss wissen, wo sie ist und wohin sie fliegen soll.
  • Surveillance: Die Drohne muss überwacht werden, um gegebenenfalls den Notfallknopf drücken können – oder die Drohne kommt von selbst herunter.

Die dafür nötige Infrastruktur sei derzeit flächendeckend noch nicht gegeben, meint Döller. Deshalb werde noch einiges an Zeit vergehen, bis autonome Drohnen in Europa Realität sind.

Drohnentaxis

In China oder Dubai fliegen sie bereits – aber in Europa kommen Drohnentaxi-Pioniere wie Lilium-Jet, Volocopter oder EHang nicht in die Gänge. Das habe mehrere Gründe, meint Mario Döller:

  • fehlende flächendeckende Infrastruktur
  • Regularien, die erst in der Entwicklung sind
  • ein hohes Risiko

Weil in der dritten Dimension weniger Verkehr als auf der Straße herrscht, werden Drohnentaxis vielleicht sogar noch vor dem autonomen Fahren Wirklichkeit, meint Mario Döller. Er sieht einen sinnvollen Einsatz im ländlichen Raum, zum Beispiel zur Anbindung an große Flughäfen. „Aber das wird noch Jahre dauern – und dann wahrscheinlich nicht wirklich geschäftsfähig sein. Denn Preise wie für eine Taxifahrt in Wien darf man sich bei Drohnentaxis nicht erwarten.“

Über Mario Döller

Der Informatiker, Professor (FH) und Rektor an der FH Kufstein hat sich in den vergangenen Jahren intensiv mit dem Sammeln und Auswerten von Drohnendaten beschäftigt und eine Reihe von Projekten in diesem Bereich begleitet.

Er ist begeistert von Drohnen als mobile Sensorplattformen, weil sie uns die dritte Dimension erschließen und viele neue Forschungsmöglichkeiten eröffnen.

Mario Döller auf LinkedIn

Show CommentsClose Comments

Leave a comment

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.