Selbstgebastelte 15-Sekunden-Videos für Kiddies als Werbeplattform für Unternehmen? Echt jetzt? – „Ja!“

sagt Digital-Marketerin Jasmin Steiner überzeugt.

TikTok ist längst nicht mehr ein Kanal für Youngsters mit Songimitationen und Tanzeinlagen, sondern ein echter Big Player mit rasant steigenden Nutzerzahlen und großem Einfluss auf junge Zielgruppen. TikTok setzt Trends, treibt andere Kanäle vor sich her – und lockt mutige Unternehmer:innen mit (noch) geringen Anzeigenkosten und einem First-Mover-Vorteil.

Diese Episode des DigitalStrategen bietet Dir eine kompakte, unterhaltsame und leidenschaftliche Einführung in die TikTok-Welt.

Du erfährst dabei,

  • welcher Unterschied zwischen social-driven und content-driven Marketing besteht,
  • welche Gründe dafür verantwortlich sind, dass TikTok „durch die Decke geht“,
  • welchen weitreichenden Impact TikTok auf andere Plattformen hat,
  • wie die Nutzer:innen auf TikTok ticken,
  • wie Unternehmen am besten mit Sinnfluencern und Bullshit-Spottern kommunizieren,
  • warum der Algorithmus hinter TikTok so hervorragend funktioniert,
  • dass Trends wirklich über Nacht entstehen und
  • wie es kam, dass ein bekannter deutscher Rapper bofrost mit seinen Lines zum Erfolg verhilft.

Extrem kurze Entscheidungsprozesse werden immer wichtiger – auch das ist ein Learning von TikTok. Wenn Du mit Deinem Unternehmen zu den Trendsettern gehören willst, solltest du nicht lange zögern: Einfach diesen Podcast anhören und dann loslegen!

Binge-Watching im Hochformat

TikTok ist zuerst einmal ein soziales Netzwerk, auf dem man sich kurze, mit Musik unterlegte Videos anschauen und selbst hochladen kann, wobei der Kreativität keine Grenzen gesetzt sind. Das klingt recht banal und erklärt noch nicht die enorme Akzeptanz und große Verbreitung.

Jasmin Steiner führt dafür fünf Gründe ins Treffen:

  1. TikTok schafft Synergien aus bereits bestehenden Social-Media-Kanälen und ist trotzdem einzigartig.
  2. TikTok zeigt das „echte Leben“ der User:innen
    (64 % geben an, dass sie dort ihr wahres Ich zeigen, 53 % glauben, dass auch die anderen Personen in der Community authentisch sind).
  3. Der TikTok-Algorithmus ist nicht social-driven wie bei anderen Social-Media-Kanälen, sondern content-driven und löst damit einen Suchtfaktor aus.
  4. Auf TikTok wird Unterhaltung großgeschrieben, das hebt die Stimmung.
  5. TikTok nimmt auf die geringe Aufmerksamkeitsspanne der User:innen Rücksicht und holt sie mit 15-sekündigen Videos ab.

Beeindruckende Wachstumszahlen

Die Dimensionen von TikTok sind beachtlich: Die Plattform existiert seit 2018 auf dem Markt und steigert ihre Nutzerzahlen jährlich enorm. (Es gab bereits 2016 mit der Musical.ly-App die Vorläuferin – eine Online-Mini-Playback-Show mit Lippensynchronisation. Diese wurde dann 2018 zu TikTok.)

Damals nutzten 520 Mio. Menschen weltweit TikTok. 2021 wurde die Einmilliarden-Marke geknackt, heuer werden 1,5 Mrd. User:innen erwartet. Es nutzt also bereits jede:r Achte weltweit TikTok – in Österreich sind es derzeit 1,23 Mio. Menschen. Das erinnert an die Entwicklung von Facebook, das in seinen Anfangszeiten ebenso stark und schnell gewachsen ist.

„TikTok ist aber nicht nur in Zahlen erfolgreich, sondern muss auch kulturell gesehen ernst genommen werden“, betont die Digital-Marketerin. „Mittlerweile gehen viele Trends davon aus: Es entstehen z. B. neue Wörter oder Songs, die als TikTok-Video viral gegangen sind, kommen in die Charts.“

Dass TikTok einen Impact hat, sehe man u. a. daran, dass sich andere Kanäle an die neue Plattform anpassen würden: z. B. mittels Youtube Shorts oder Instagram Reels.

Die Nutzer:innen: Sinnfluencer und Bullshit-Spotter

Die Interessensgebiete der TikTok-Community seien so vielfältig, dass man die hauptsächlichen Nutzer:innen primär eher nach dem Alter diversifizieren könne, meint Steiner. Demnach gebe es aktuell zwei große Zielgruppen:


Die Gen Z

Die jungen Erwachsenen seien am häufigsten auf TokTok vertreten. Unternehmen, die meinen, dass diese keine relevante Zielgruppe seien, weil sie wenig Kaufkraft haben, würden sich irren, meint Jasmin Steiner: „Ein guter Brandaufbau funktioniert langfristig und Gen Z ist die nachfolgende Kaufkraft-Generation.“

Anhand von drei Begriffen lasse sich am besten beschreiben, wie die Gen Z ticke:

Sinnfluencer: Sie sind kritisch, hinterfragen Sachverhalte, v.a. bei Produkten und Brands.
Bullshit-Spotter: Fake News oder nicht authentische Inhalte werden schnell aufgedeckt und verlieren sofort Follower.
Banner-Blindness: Diese Generation ist mit Online-Werbung groß geworden. Ihr Gehirn filtert deren Relevanz in Millisekunden und blendet unwichtiges bzw. nicht relevantes sofort aus.


Die Millenials

Sie haben die aktuell stärkste Kaufkraft im Online-Handel. Der Grund, warum sie sich auf TikTok bewegen, sei schlicht Neugier: Sie wollen sehen, was dort passiert und wollen am nächsten Morgen mitreden können, wenn über Nacht ein neuer Trend entstanden ist.

Die durchschnittliche Nutzungsdauer von TikTok beträgt in Deutschland zirka 50 Minuten täglich und die App wird zehn Mal pro Tag geöffnet, also ähnlich oft wie Messenger Dienste!

1. Erfolgstreiber „Synergien aus allen Kanälen“

„In den letzten Jahren sind verschiedene Communitys entstanden“, erklärt Digital-Marketerin Steiner:

  • Einerseits die klassischen Youtube-Konsument:innen, die gerne Videos schauen und ein starkes Interesse an konkreten Themen haben.
  • Dann die Meta- oder Social-Media-Community, die sich gerne austauscht und vom Umfeld Status-Updates bekommen will.
  • Und zuletzt die Messenger-Community, die es lieber privater mag und Inhalte von Person zu Person teilt. Dazu gehören z. B. Snapchat-User:innen.

„TikTok hat es geschafft, die einzigartigen Elemente aller drei Kanäle (Video, Social Media und Messenger) nicht nur zu kombinieren, sondern auch zu optimieren“, meint Jasmin Steiner: „

Sie haben die Videos von Youtube übernommen, aber kürzer und damit attraktiver gemacht. Sie haben Interaktionselemente von Meta ausgebaut, sodass es auf TikTok mehr gibt als nur Like oder Share. Und Sie haben einen Messenger-Dienst integriert, um Inhalte auch im privaten Rahmen teilen zu können.

2. Erfolgstreiber „echte Inhalte“

Wenn man TikTok mit Instagram vergleiche, so würden auf letzterem sehr ästhetische Inhalte, eine Hochglanzwelt, dargestellt, sagt Steiner. „Instagram ist ein typischer Lifestyle-Kanal, auf dem die Selbstinszenierung gelebt wird und scheinbar kein Makel gezeigt werden darf.“

TikTok sei ganz anders – die junge Community habe keine Lust auf diese Fake-Lifestyle-Welt: Auf TikTok dürfe man Ecken und Kanten und auch einmal einen schlechten Tag haben und sich sogar mit einem lustigen Video durchaus auch ein bisschen lächerlich machen.

Außerdem sei der Körper schön so, wie er ist. Body Positivity sei ein wichtiges Kennzeichen von TikTok: Wer echt rüberkomme, werde belohnt – mit Kommentaren, Likes oder gar einem viralen Durchbruch. Die Videos dürfen auch selbstgemacht ausschauen, müssen aber auch wirklich echt sein, Qualitätstrash werde nicht geduldet.

3. Erfolgstreiber „Algorithmus“

„Ein wichtiger Gamechanger bei TikTok ist der Algorithmus“, erklärt Jasmin Steiner: „Er ist nicht mehr social-driven wie z. B. bei Instagram oder Facebook, sondern content-driven.“

Was heißt das? In bestehenden sozialen Netzwerken meldet man sich an und folgt Freunden oder interessanten Profilen. Sobald man die Startseite öffnet, erscheinen im Feed Beiträge und Storys von Freunden und anderen „abonnierten“ Profilen aus dem eigenen sozialen Umfeld. Das ist ein social-driven Algorithmus.

Auch bei TikTok kann man solche Beiträge erhalten, man muss dazu jedoch auf eine eigene Oberfläche („Freunde“) gehen. Auf der Startseite bekommt man hingegen Tonvideos von den unterschiedlichsten Profilen, die genau auf die persönlichen Interessen abgestimmt sind – unabhängig vom eingenen sozialen Netzwerk. Dieses „Füttern“ mit genau dem, was wir uns inhaltlich gerade wünschen, ist verantwortlich für die lange Streamtime der TikTok-Nutzer:innen.

Um zu erkennen, welcher Inhalt für welche Person relevant ist, orientiert sich der Algorithmus an drei Indikatoren – und zwar genau in dieser Reihenfolge:

  1. Watchtime
  2. Likes
  3. Shares

4. Erfolgstreiber „Unterhaltung“

31 % der Nutzer:innen finden, dass TikTok-Videos die Stimmung heben. „Das liegt daran, dass der Algorithmus genau jene Videos ausspielt, die den User:innen gefallen, und auch an deren ungemein großer Vielfalt und Kreativität“, erklärt Jasmin Steiner. „Es ist schön zu sehen, wie Menschen im Alltag ihre Kreativität ausprobieren und ausleben können. Dabei geht es nicht nur um Klamauk. Es werden auch tiefer gehende Fachinformationen und Nachrichten präsentiert, aber eben auf spielerische und unterhaltsame Art und Weise.“

5. Erfolgstreiber „Aufmerksamkeit“

TikTok hat auf den Trend der sinkenden Aufmerksamkeitsspanne reagiert und die Durchschnittslänge der Videos daran angepasst. Man sei zwar relativ frei, die Digital-Marketerin empfiehlt jedoch eine Länge von 15 Sekunden. „Als die maximale Videolänge Anfang 2022 auf zehn Minuten erhöht wurde, war der Großteil der Community darüber nicht erfreut, weil TikTok dadurch seinen Charme verlieren würde“, erzählt sie. Die meisten Videos sind aber nach wie vor sehr, sehr kurz.

Make TikToks, not ads!

Tipps für die Unternehmenskommunikation

Die bezahlte Werbung unterliege gerade einem absoluten Wandel, betont Jasmin Steiner. Vor kurzem noch ging es darum, Werbeanzeigen mit Hochglanzsujets, viel Budget und einem perfekten Kampagnensetup auszuspielen. Heute verschieben sich die Prioritäten.“

Das Sujet

Videos bzw. Animationen rücken in den Vordergrund, sie werden – vor allem bei den Jungen – die klassischen Bildsujets ablösen. Außerdem war früher das CI wichtig und das Produkt bzw. die Marke standen im Vordergrund. Jetzt gehe der Trend in Richtung Debranding. Vor allem auf TikTok sollten Produkte nativ in die Story einfließen, denn das Sujet zu viel Raum einnimmt, komme die Banner-Blindness ins Spiel und es werde ausgeblendet.

Das Werbebudget

Hier biete TikTok gleich zwei Vorteile, meint Steiner: Erstens seien die Anzeigenkosten auf TikTok Im Vergleich zu anderen Kanälen noch extrem günstig. Und zweitens helfe die organische Reichweite sehr. Ein wirklich unterhaltsames Video könne sogar ohne Budget viral gehen. Dies könne zusätzlich mithilfe eines Werbebudgets befeuert werden, um Käufe, Conversions oder andere Ziele zu erreichen.

Das Kampagnen-Setup

„Das Septup muss nach wie vor professionell und gut aufgesetzt sein“, betont Jasmin Steiner. „Aus Datenschutzgründen muss mit allerdings mit weniger Daten gearbeitet werden. Viele User:innen akzeptieren keine Cookies, was die Targeting-Optionen stark begrenzt.“

Als Konsequenz davon werden die Zielgruppen breiter und feingranulares Targeting funktioniere nicht mehr. Deshalb gewinne das Sujet bzw. das Video selbst stark an Relevanz.

Musikrechte

Privatpersonen steht die TikTok-Musikbibliothek zur Verfügung, um neue Charts und Trends nachzubauen, Unternehmen sind davon jedoch ausgeschlossen.

Sie haben zwar über einen eigenen Account eine Zugangsmöglichkeit zur Unternehmens-Soundbibliothek, dort finden sich allerdings keine Chart-Songs. Diese müssen Unternehmen daher mit den zugehörigen Rechten kaufen.

Beispiele für clevere Unternehmer

Dem Markenkern treu blieben, aber trotzdem eine leichte Anpassung an neue Zielgruppen vornehmen – dafür bräuchten Unternehmer:innen Mut, betont Steiner. Beispielhaft nennt sie zwei bekannte Unternehmen, die diesen Schritt getan haben und damit auf TikTok äußerst erfolgreich waren:

Louis Vuitton
Die ehrwürdige französische Luxusmarke launchte äußerst erfolgreich eine Kollektion gemeinsam mit Supreme, einer frechen Marke für „fancy Skater-Kids aus LA“ – und sie ging durch die Decke. Eventuell soll es 2022/23 wieder eine gemeinsame Kollektion geben – die Spekulationen darüber sind derzeit der aktuelle Hype auf TikTok.

Bofrost
Trends entstehen auf TikTok über Nacht und können schnell wieder vorbei sein. Um sie nützen zu können, müssen Entscheidungsprozesse äußerst schnell ablaufen. Der Tiefkühlwaren-Lieferant hat diese kurzen Entscheidungsprozess extrem gut hinbekommen: Als ein beliebter deutscher Rapper Bofrost auf seinem neuen Album in seine Lines eingebaut hatte, reagierte das Unternehmen sofort darauf. Diese Referenzierung ging auf TikTok viral, der Rapper reagierte wiederum mit der Markierung von Bofrost in seinen Posts – und der bisher kaum bekannte Online-Shop des Unternehmens verzeichnete eine große Zahl von Online-Käufen aus der Gen Z.

First-Movers haben die Nase vorn

„Aktuell gibt es noch wenige Unternehmen, die TikTok wirklich erfolgreich für ihre Kommunikation nutzen“, meint Jasmin Steiner. „Als Unternehmer:in hat man also jetzt noch Vorteile als First Mover. Außerdem profitiert man von den noch geringen Anzeigenkosten und die Nutzerzahlen steigen rasant. Es zeichnet sich ab, dass das kein kurzfristiger Hype ist – warum TikTok also nicht für die eigenen Unternehmensziele nützen?“

Jasmin Steiner

entwickelt und realisiert Online-Marketing-Strategien bei FACTOR. Als Digital Native hat sie sich bereits sehr früh mit den Möglichkeiten von TikTok beschäftigt und sieht darin viel mehr als nur einen weiteren Social-Media-Kanal.

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