Online-Marketing: Vom Kampagnen- zum Funnel-Denken 

Das Mediennutzungsverhalten hat sich in den letzten Jahren fundamental gewandelt – und Kommunikation, die nicht auf Zielgruppen und deren Bedürfnisse eingeht, wird schlicht und einfach nicht funktionieren. Davon ist Online-Marketing-Expertin Bettina Binder überzeugt.  

Unternehmen können sich das geänderte Mediennutzungsverhalten zunutze machen und ihre Kund:innen punktgenau ansprechen. Welche Möglichkeiten digitales Marketing hier bietet, darüber spricht die ehemalige Head of Brand Management & Performance Marketing der Allianz-Versicherung Österreich in dieser Episode des Digital-Strategen mit Mario Eckmaier. 

Du erfährst außerdem, 

  • welche Online-Werbeformate und -Fachbegriffe Du kennen solltest, 
  • dass Klickraten oft überbewertet werden, 
  • auf welche Arten Du Online-Werbung abrechnen kannst, 
  • welche Werkzeuge für welche Ziele geeignet sind,  
  • welchen Einfluss Influencer wirklich haben, 
  • wie Du Deine Kund:innen und Mitarbeiter:innen zu Markenbotschafter:innen machst und 
  • warum Du trotz aller Technologie keinesfalls auf Emotionen vergessen darfst.  

Ins Funnel-Denken kommen: Fachbegriffe 

Der Funnel bezeichnet ein Modell, bei dem aus einem Interessenten ein Kunde wird, indem dieser mehrere Stationen (Touchpoints) durchläuft, um an deren Ende eine bestimmte Handlung abzuschließen (z.B. Kauf). Der Funnel untergliedert sich meist in die wesentlichen Stationen „Awareness“, „Interest“, „Desire“ und „Action“ (AIDA-Modell). Der Funnel bildet somit den gesamten Marketingprozess vom losen Interesse bis hin zum Kaufabschluss ab. 

Professionelles Online-Marketing orientiert sich an diesem Funnel und den Kundenbedürfnissen in den jeweiligen Stationen des Funnels.  

In der ersten Phase – also im obersten Funnel Step – komme es vor allem auf die Reichweite bzw. auf die Sichtbarkeit an, meint Bettina Binder. Hier zählen Ad Impressions – besser noch: die Ad Visibility.  

Wer auf einer Website etwas verkaufen will, solle u.a. die Klickrate im Auge behalten, wobei diese Kennzahl noch kein alleiniges Kriterium für die Effizienz einer Ausspielung sei. Sie könne eher als ein Indikator in Richtung Kreation gesehen werden, meint Binder. 

Wenn User:innen dann auf einer Website landen, gehe es darum, die Bounce Rate zu reduzieren und einen möglichst günstigen Cost per Click zu generieren. 

Danach schaue man sich die einzelnen Funnel Steps genauer an: Wo brechen die User:innen ab, wo klicken sie weiter? Wo gehen Kund:innen verloren? Kennzahlen für die finale Effizienz einer performance-orientierten Kampagne sind der Cost per Order (z. B. in einem Online-Shop) oder der Cost per Lead (bei einem Kontaktformular). 

„Die größte Herausforderung bei der Analyse dieser Daten besteht darin zu wissen, was das höchste Kampagnenziel für mich persönlich ist und welche Unterziele ich dafür erreichen muss“, erklärt Digital-Marketerin Binder. 

Ad Impressions versus Ad Visibilty 

Nicht jede technische Auslieferung bedeute, dass Anzeigen auch tatsächlich von einem Menschen gesehen werden, warnt Bettina Binder. 

„Zum Glück haben wir in Österreich sehr viele gute Anbieter, die auch Ad-Visibility-Garantien abgeben und zB Video-Werbeanzeigen nur bei einer View-Through-Rate von 100 % abrechnen“, meint Binder. „Ad Visibility ist mittlerweile auch in den klassischen Werbemitteln Standard und man sollte sie nie unberücksichtigt lassen, wenn man erfolgreich Online-Marketing betreiben will.“ 

Klickrate und Workflow 

Die Klickrate sei nur dann aussagekräftig, wenn man sie in Bezug setze mit dem, was dahinter passiert, betont die Digital-Marketing-Managerin. Wenn ein günstiger Cost per Klick vereinbart und erreicht wurde, aber aus 300.000 Ausspielungen niemand auf der Website landet, dann könne man das nicht als Erfolg sehen. Wenn die Sichtbarkeit als Werbeziel definiert wurde, dann sei die Klickrate eher nebensächlich. Da gehe es vielmehr darum, „in die Köpfe der User hineinzukommen, auch ohne Need“.  

Was nach dem Launchen kommt 

Bettina Binder empfiehlt, alle Partner:innen auf die gemeinsamen Ziele zu verpflichten. Auf dem Weg dorthin sollte die Kampagne optimiert werden: „Launchen und dann nie wieder auf die Zahlen schauen, das ist ganz schlecht“, meint sie. „Nach dem Launchen kommt das Messen, Anschauen, das Drehen an Stellschrauben und das Optimieren, damit alle Partner davon profitieren.“ Das bedeute auch einen neuen Workflow, man könne nicht einfach die alten Denk- und Arbeitsprozesse weiterführen. 

„Weg vom Kampagnendenken hin zu einem langfristigen Lernen, Entwickeln und Ausbauen“! fordert die Performance-Marketerin. Dinge sollten nicht nur für drei Monate entwickelt, sondern dynamisch weiterentwickelt werden. Vor allem Suchmaschinenmarketing gehöre so langfristig wie möglich angelegt, weil die Maschine dadurch Keywords, Texte, Nutzungsverhalten usw. lernen könne. 

Die Wahl der Werkzeuge 
Will man mit einer Werbekampagne Sichtbarkeit/Awareness erzielen oder eher Transaktionen, also z. B. Abschlüsse? Diese Frage gehöre beantwortet, bevor man sich für das passende Werbemittel entscheidet. 

Awareness  
Sichtbarkeit habe mit Emotionen zu tun, erklärt Bettina Binder. Es müssen Bilder im Kopf entstehen – durch Videokommunikation oder großflächige Werbeformate, die begeistern. Aber auch manche Influencer-Kampagne in den sozialen Medien schaffe es, die Kund:innen emotional abzuholen. Man müsse sich immer überlegen, auf welchem Weg man die eigene Botschaft am besten transportieren kann. 

Zielgruppen 
Die klassische Herangehensweisen, Zielgruppen zu definieren, seien zu allgemein, man müsse deutlich detaillierter werden (z. B. mit Personas), um dann passende Werbe-Inhalte dafür kreieren zu können. Das sei ein „wahnsinnig herausfordernder Prozess“, aber er helfe enorm, wenn man gutes Online-Marketing machen wolle.

Abschluss 
Um Transaktionen zu generieren, empfiehlt Binder kleinformatige Werbeformate, Suchmaschinenmarketing oder Content Marketing, bei denen man das eigene Produkt bzw. die Dienstleistung besser erklären kann. In Richtung Social Media könne man auch punktuell mit Empfehlungen (z. B. Links in einschlägigen Artikeln) und Markenbotschafter:innen oder Influencer:innen arbeiten. Hier gehe es nicht primär um hohe Reichweiten, sondern um spitze und punktgenaue Wege, immer am Bedarf der Kund:innen orientiert. Und man dürfe bei aller Technologie nie die Emotionen vergessen. 

Welche Abrechnungsarten gibt es? 

Wenn das Kampagnenziel Awareness ist, sei der Tausender-Kontakt-Preis (TKP, oder CPM – Cost per Mille) die passende Abrechnungsform, weiter gedacht durchaus auch der Cost per Click (CPC). Im Bereich Sales biete sich der Cost per Lead (CPL) oder Cost per Order (CPO) an, dieser sei allerdings oft schwierig zu bestimmen wegen der Langfristigkeit von Kampagnen und ihrer Reichweiten. In anderen Ländern sei Affiliate Marketing gang und gäbe. Dort gebe es Fixpreise für tatsächlich getätigte Anfragen oder Kaufabschlüsse. Diese Leads seien dann aber auch sehr hochwertig und es brauche dafür auch eine Qualitätskontrolle, um Betrügereien zu erkennen. Österreich sei dafür aber in manchen Bereichen von der Reichweite her als Markt zu klein.  

Markenbotschafter:innen – woher nehmen? 

„Mache nur jene Mitarbeiter:innen (und Kund:innen) digital sichtbar, die das auch wirklich wollen!“, rät Online-Expertin Binder. „Die Rolle als Markenbotschafter:in darf man niemandem überstülpen.“ 

Sie schlägt vor, Teammitglieder zu suchen, die sich gerne selbst präsentieren und die sozialen Medien bereits aktiv nutzen. Dann solle man Themen herauskitzeln, die Synergien zwischen dem Menschen und dem Unternehmen schaffen, und die Mitarbeiter:in dabei unterstützen, Content zu machen. So könnten etwa Praktikant:innen völlig neue Sichtweisen aus dem und auf das Unternehmen eröffnen, wenn man sie mit dem Vorstand vernetzt, anstatt „nur Papier drucken zu lassen“. 

Außerdem empfiehlt Binder, Markenbotschafter:innen im Rahmen von Kampagnen mitzudenken: Wie könnte z. B. der Vertrieb involviert werden? Wer einen Rahmen für Mitarbeiter:innen zur Verfügung stelle, in dem sie selbst Content produzieren können, erhalte viel Material, um Awareness zu schaffen. Aber viele Unternehmen würden diese Riesenchance vergeben – aus Angst, dass diese Menschen mit ihrer Expertise zu sehr sichtbar und dann abgeworben werden. 

Influencer:innen: Scharlatane oder Promis? 

Bei der Zusammenarbeit mit Influencer:innen könne viel Humbug passieren, gleichzeitig habe diese Kooperation auch sehr viel Potenzial, fasst Bettina Binder zusammen. Wichtig dabei sei, platte Werbebotschaften zu vermeiden. „Die bringen nichts. Im Mittelpunkt muss immer der Kunden-Need stehen. Wenn du allerdings ein Problem verstanden hast und es lösen kannst und dazu einen passenden Influencer findest, bringt das einen echten Mehrwert.“ 

Oft sei es notwendig, keine Makro-, sondern Mikro-Influencer:innen auszuwählen, um ganz spitz auf Kund:innen zuzugehen. Eine „fragmentierte Kundendenke“ sei dafür unverzichtbar. 

Zielgruppen-Targeting: Der Schlüssel zum Erfolg 

Um Zielgruppen punktgenau ansprechen zu können, brauche es vor allem zweierlei, meint die Digital-Marketing-Managerin: Kreation und technisches Setup. Connected TV werde immer beliebter, v.a. bei der jungen Zielgruppe, und dafür müssten die Werbebotschaften getargeted und so gestaltet sein, dass sie vom Inhalt und der Kreation her perfekt passen. 

Was die technische Ausrüstung betreffe, so müssten sich Unternehmen fragen, ob sie überhaupt punktgenau ausstreuen könnten. Eventuell würde sich auch ein eigener Ad-Server rentieren, schlägt Binder vor: „Der Vorteil davon ist, dass man mit der Zeit ein Set an Hunderten von Werbemitteln im Haus hat, die automatisiert ausgespielt werden können, und gleichzeitig wird das System laufend optimiert.“ 

Trendsetting oder Ausdauer? 

Die Digital-Expertin betont außerdem den Wert einer realistischen Erwartungshaltung: „Diese ist oft zu hoch, v. a. in Bezug auf Klickraten, und oft haben Unternehmer:innen auch zu wenig Geduld.“ Es brauche Zeit, um auszuprobieren, zu überlegen und zu lernen. Dafür sollte man sich vorher auch gut überlegen, welche Benchmarks man erreichen, wie viel Zeit man der Kampagne geben und in welchem Rhythmus man testen und optimieren wolle. 

Nicht immer sofort jedem Trend nachlaufen!, empfiehlt sie: „Besser ist es, zuerst einmal eine tragfähige Basis für Online-Marketing zu schaffen und dieses Know-how gut umzusetzen. Geduld ist wichtig im digitalen Marketing.“ 

Was in Zukunft wichtig sein wird 

Online-Marketing werde immer fragmentierter, ist Binder überzeugt. Es würden sich immer mehr Möglichkeiten auftun. Was sich allerdings nicht ändern werde, seien die Bedeutung der Kreation und das Denken in den Bedürfnissen der Menschen. 

Werbemittel der Zukunft seien Connected TV, große Screens, große digitale Plakatwerbestellen und Bewegtbilder. Vernetzte Kommunikation werde immer wichtiger, man könne Kund:innen auf vielen Kanälen erreichen: auf Handy, Laptop und auf den Screens im Flughafen. 

„Wenn Big Player in den österreichischen Markt einsteigen, wird es spannend“, prophezeit Bettina Binder: „Wenn der TV-Bereich aufbricht, dann bekommen Influencer und Podcaster massiven Auftrieb. Und guter Content auf der Website wird immer wichtiger.“

Über Bettina Binder

Die Digital Marketing-Managerin, Mentorin und Vortragende kann auf 17 Jahre Erfahrung im Bereich digitales Marketing verweisen. Zuletzt war sie Head of Brand Management & Performance Marketing bei der Allianz Versicherung Österreich. Aktuell berät sie Unternehmen und Organisationen in den Bereichen Strategie, Marketing und Vertrieb. 

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