Das Erfassen von Daten ist keine isolierte Aktion, sondern Ausgangspunkt für neue, sinnvolle Anwendungen. Im Gespräch mit Mario Eckmaier zum Thema Digital Twins erzählt der Digitalisierungs-und Vermessungsfachmann Arnold Wenger, warum immer mehr Unternehmen ein virtuelles Abbild ihrer analogen Gebäude haben wollen und was man damit anfangen kann.

Diese Episode des Digital-Strategen bietet dir überraschende Insights in ein Thema, dessen Bedeutung meist erst auf den zweiten Blick so richtig klar wird. Du erfährst, 

  • dass der digitale Zwilling nicht nur in der Immobilienbranche daheim ist, 
  • wie Digital Twins das Facility Management aber auch Employer Branding erleichtern, 
  • welche Rolle das Internet of Things (IOT) dabei spielt, 
  • was man unter Digital Factory Planning versteht, 
  • warum sich der digitale Zwilling mit Robotern anfreunden sollte und  
  • wie eine Punktewolke den Standort einer Couch beeinflussen kann. 

Allerorts gebe es viele Immobilien, über die man nichts weiß, meint der CEO von LOOOM: „Es sind keine Pläne vorhanden, die Objekte wurden umgebaut, erweiterte, verkauft und niemand kennt konkret die aktuellen Bestandsdaten. Diesen fehlenden Ist-Zustand einer Immobilie können wir mit einer speziellen Vermessungstechnologie ziemlich schnell herstellen.“ 

Alignment und Punktewolke 

Eine Fläche von 5.000 bis 10.000 m2 könne in ein paar Stunden digital vermessen werden, meint Arnold Wenger. Die erfassten Daten werden dann verarbeitet (Alignment) und das Ergebnis – eine „Punktewolke“ mit einer Genauigkeit von 5 mm – dient als Basis für 3D-Pläne, mit denen dann gearbeitet werden kann. 

Aber nicht nur bei Um- und Erweiterungsbauten spiele der digitale Zwilling eine wichtige Rolle. Auch Shopping Malls bräuchten einen Ist-Zustand ihrer Immobilie für die Vermietung an Kund:innen, erklärt Wenger. Als „extrem spannend“ bezeichnet er die Möglichkeit, Immobilien nicht nur zu vermessen, sondern sphärische 360-Grad-Aufnahmen davon zu erstellen. „Dadurch können sich Instandhalter oder Facility Manager virtuell mit Dienstleistern treffen, die Immobilien digital begehen, servicieren und z. B. Feuerlöscher hinterlegen. Das bringt eine enorme Zeit- und auch Kostenersparnis.“ 

Das Internet der Dinge (IOT) 

In Verbindung mit dem Internet of Things können Firmenchefs und -chefinnen z. B. Sensordaten aus der Produktion in den digitalen Zwilling integrieren – und so die Daten nicht nur auf einem Dashboard, sondern auch direkt und live im digitalen Zwilling sehen. Man könne das „weiterspinnen“ bis hin zu Sensoren in Büroräumen, damit Vermieter:innen offene Fenster digital schließen können, wenn sich niemand mehr im Raum befindet. Wichtig sei, „so viel wie möglich aus einer Software herauszuholen.“ 

Kompakte Messgeräte 

17 kg wiegt das von Wenger verwendete Messgerät, das in einem Koffer mit den Maßen 150 x 50 cm Platz hat. Damit ist es möglich, auch große Immobilien freihändig zu begehen und sehr schnell digital zu vermessen.  

Vorteile und Use Cases des digitalen Zwillings 

Geld, CO2 und Zeit sparen sowie Mitarbeiter:innen besser schulen und transparente Information schaffen – das sind die beeindruckenden Vorteile, die der digitale Zwilling bietet. Der Anwendungsbereich für virtuelle (Gebäude-)Abbildungen ist sehr umfangreich umfasst neben der Immobilienbranche auch Industrie und Bauwirtschaft sowie Audits und das Employer Branding. 

Im Projektablauf gehe es als Erstes immer um den Ist-Bestand, betont Arnold Wenger. Und danach würden sich mehrere Wege anbieten. Hier ein paar Beispiele: 

  • Facility Management: Mittels Indoor-Navigation können Gebäude digital serviciert werden, ohne dass Sublieferanten persönlich durchgeführt werden müssen. 
  • Ähnliches gilt für Gemba-Walks in der Autoindustrie. 
  • Employer Branding: HR-Beauftragte können virtuell zeigen, wie ihre Lehrlingswerkstätte, Ausbildungsräume oder Büros aussehen.  
  • Schulungen: Neue Mitarbeiter:innen lernen mittels virtuellem Wissenstransfer, ev. sogar mit HoloLens-Anwendung, schnell und effektiv.
  • Audits: Virtuelles Auditieren hat sich vor allem seit Covid enorm entwickelt. 
  • Digital Factory Planning: Immer mehr Industrieunternehmen spielen virtuell Szenarien für neue Anlagen durch, bevor sie neue Fabriken bauen. 
  • Fehleranalyse: Durch mehrfache Digitalisierung einer Baustelle entsteht eine synchrone Dokumentation des Bauzyklus, um bei eventuellen Defekten die Fehlerquelle schnell finden zu können. 

Digital Twins: abwarten oder losstarten? 

Auf jeden Fall jetzt damit auseinandersetzen, rät Arnold Wenger: „Die Vermessungstechnologien, die sich derzeit auf dem Markt befinden sind extrem gut, auch was die Geschwindigkeit sowie die Datenqualität betrifft.“ 

Allerdings werde in fünf bis zehn Jahren sehr viel noch automatisierter funktionieren, meint der Vermessungsexperte. Das Thema Autonomie rücke immer stärker in den Fokus, also Drohnen oder Roboter, die in Gebäude gehen, die Menschen nicht betreten können oder wollen (AKWs zum Beispiel). Künstliche Intelligenz (KI) sei auch aufgrund der riesigen Datenmengen eine sinnvolle Ergänzung. Das Zeichnen nach der Punktewolke dauere immer sehr lange. Wenn 50 bis 70 Prozent dieser Arbeit automatisiert werden könne, dann wäre das eine „super Zukunftsperspektive“, glaubt Wenger.  

Alles in allem also: Es gibt keinen Grund, damit noch weiter zuzuwarten!

Über Arnold Wenger 

Der CEO der LOOOM GmbH, einer Digitalisierungs- und Vermessungs-Fabrik, ist seit 15 Jahren im Bereich der Digitalisierung tätig.

Mit seinem Unternehmen konzipiert er u.a. Projekte zu Facility Management, Repair & Maintenance, Baudokumentation und virtueller Besucherführung.

Arnold Wenger auf LinkedIn

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