„Virtual Reality ist die Hoffnung auf ein Medium, das Träume vermitteln kann“

hat VR-Pionier Jaron Lanier einmal gemeint. Tatsächlich geht es bei der Schaffung von virtuellen Welten nicht nur um Technologiebeherrschung, sondern auch gleichwertig um Psychologie und Storytelling.

Wo Virtual Reality und Augmented Reality nutzbringend angewendet werden können und was es dafür von Unternehmensseite braucht, erzählt VR-Experte Chris Sitar in dieser Podcast-Episode mit Mario Eckmaier.

Du erfährst außerdem,

  • warum virtuelle Technologie unbedingt Spaß machen soll,
  • was bei der sogenannten Immersion passiert,
  • warum VR und AR auch Unrealitäts-Simulatoren sind,
  • was Serious Gaming bedeutet,
  • ob der Durchbruch für VR kurz bevorsteht,
  • wie lange es dauert, bis Menschen ihre virtuelle dritte Hand benutzen und
  • warum das gemeinsame Abendessen mit Freund:innen trotz VR und AR auch in Zukunft wertvoll sein wird.

Kommunikationsmedium und Unrealitäts-Simulator

Als Oculus die erste VR-Brille auf den Markt brachte, wusste Chris Sitar: Das ist die Zukunft! „Intelligente Technologie, verbunden mit spielerischem Erleben und Interaktivität – das wollen die Leute machen“, ist Chris überzeugt. Technologie UND Spaß, diese Kombination mache die Faszination von Virtual und Augmented Reality aus.

VR sei ein „Medium, das die Realität auf Steroide bringt“, meint er – und auch ein Unrealitäts-Simulator, der das menschliche Gehirn mit multisensorischen Erlebnissen verzaubern könne. Als Kommunikationsmedium ermögliche es darüber hinaus, dass man einander bei Treffen im virtuellen Raum trotz geografischer Distanz nahe sein könne.

Virtual Reality versus Augmented Reality

Bei der virtuellen Realität (VR) setze man eine Brille auf und die reale Welt werde ausgeblendet, beschreibt Chris Sitar. Man befinde sich in einer rein virtuellen Umgebung – ob in einem Film, einer 3D-Simulation oder einer künstlerischen Installation – und interagiere quasi mit Luft. 

In einer Augmented Reality (AR) oder Mixed Reality werde die Realität durch virtuelle Inhalte ergänzt und angereichert. Wie spannend und auch hilfreich so etwas sein könne, wisse jede, die schon einmal in einer fremden Stadt auf den Stadtplan verzichtet und Google AR auf dem Handy ausprobiert habe.

Wie funktioniert Virtual Reality?

Der Mensch verlässt sich auf seine Sinne. Was wir sehen, hören oder fühlen, hat einen Impact. VR kann echte Bewegungen bis in den letzten Millimeter spiegeln. Wenn dann noch Geräusche oder körperliche Empfindungen wie Wind, Kälte, Nässe usw. dazukommen, verarbeitet das menschliche Gehirn diese Eindrücke und erzeugt Gefühle wie z.B. Angst oder Freude. Dieses vollkommene Eintauchen in eine fremde Welt ist auch als Immersion bekannt.

In einer wissenschaftlichen Studie an der Universität Stanford hat Jeremy Balanson eine Probandengruppe in der virtuellen Realität mit einer zwei Meter langen dritten Hand ausgestattet, die mit den echten Händen kombiniert werden konnte. Es dauerte nur eine Viertelstunde, bis die Menschen diese virtuelle Hand wie selbstverständlich eingesetzt haben – so unglaublich anpassungsfähig ist das menschliche Gehirn!

Voraussetzungen für den virtuellen Raum

Die ideale reale Raumgröße für die Nutzung von VR- oder AR-Anwendungen sei immer vom jeweiligen Projekt abhängig und betrage meist 2,5 x 2,5 oder 3 x 3 Meter, erzählt VR-Experte Sitar.

Man könne bereits mit günstigen Stand-alone-Headsets arbeiten, bei denen die Kameras direkt in die Brille eingebaut seien und laufend den Raum vermessen, in dem man sich befindet. Für präziseres Arbeiten, z. B. bei medizinischen Simulationen, brauche es allerdings einen PC und eine VR-Brille mit Lasersensoren, die auch noch die kleinsten Bewegungen im Millimeterbereich absolut genau tracken können.

Anwendungsmöglichkeiten für VR und AR

Derzeit werde Virtual und Augmented Reality vor allem in drei Bereichen angewendet, erzählt Chris Sitar:

  1. beim Socializing – für Treffen im virtuellen Raum
  2. beim Gaming – wenn man mit dem Lichtschwert mitten in Star Wars unterwegs ist und auf Darth Vader treffe und
  3. im Serious Gaming oder Trainingsbereich – dazu zählen Sicherheitsschulungen in Unternehmen mit VR-Headsets statt Powerpoint-Slides.

Im Trainingsbereich sei interessant, dass nicht nur Erfahrungen aus der virtuellen in die reale Welt getragen würden, sondern dass dies auch umgekehrt möglich sei: Die Realität könne in VR übertragen und dort verfeinert werden.

Große Lernkurve durch Gaming und Storytelling

Die Lernkurve sei in der Virtual Reality besonders groß, betont Sitar. VR mache es möglich, dass man Szenarien bis zu 25 Mal durchspiele und es sich doch jedesmal anders anfühle. So könne man in sehr kurzer Zeit verschiedene Situationen trainieren und sei dann gut vorbereitet, wenn sie real werden. Wichtig dabei sei allerdings, die Applikation so zu gestalten, dass sie sich organisch anfühlt. Schließlich sollen die Testpersonen vergessen, dass sie sich in einer virtuellen Welt befinden. Deshalb gehe es bei VR und AR nicht nur um Technologiebeherrschung, sondern auch um Psychologie und Storytelling.

Passt VR auch für mein Unternehmen? Do’s und Dont‘s

Der Einsatz von VR und AR in Unternehmen sei dann erfolgreich, wenn möglichst viele relevante Stakeholder daran beteiligt sind, meint Chris Sitar. Neben der Innovationsabteilung sollten auch HR, Produktion und der Betriebsrat mit ins Boot geholt werden.

Der Mediasquad-Chef empfiehlt einen eintägigen Workshop zum Ausprobieren: „Um zu wissen, worum es wirklich geht, sollten die Verantwortlichen die verschiedenen Arten von VR selbst ausprobieren können.“ Parallel dazu würden sie auch die wichtigsten Do‘s und Dont’s mitbekommen. So dürfe man zum Beispiel mit virtuellen „Anfänger:innen“ nie einen Flug durch virtuelle Welt unternehmen, warnt Sitar. Man verliere dadurch ein Drittel aller Leute, weil ihnen dabei ganz einfach schlecht werde.

Nach dem Workshop gehe es darum herauszufinden, wo im Betrieb Aufgaben liegen, die man mit virtuellen Welten besser lösen kann als mit herkömmlichen Methoden. Das können z. B. das Trainieren von Abläufen sein, das Handhaben von Maschinen, die noch nicht in Betrieb sind, oder auch ein Assessment für Bewerber:innen. Ist die Aufgabe dann identifiziert, werde die Didaktik entworfen, nach der trainiert werden soll.

Keep it short!

Bezüglich der Zeitdauer für VR-Simulationen gebe es eine magische Zahl, erklärt Sitar: Mehr als 15 bis 20 Minuten am Stück sollten es nicht sein, sonst seien die Leute „fix und fertig“ – jedenfalls jene, die unter den Begriff „Otto Normalverbraucher“ fallen. Das gelte auch für Messen. Die Experience kurz zu halten, sei ein Schlüssel zum Erfolg.

Steht der Durchbruch kurz bevor?

Nicht nur das Abgekapseltsein von der realen Welt, auch das etwas sperrige Headset sei ein Grund, warum VR und AR bisher noch kein durchschlagender Erfolg beschieden sei, meint VR-Experte Sitar. Aber das könne sich rasch ändern: „2022 wird und ist diesbezüglich schon ein fantastisches Jahr, weil Devices auf den Markt kommen, die kleiner sind, mobil eingesetzt werden können und zugänglicher sind als die bisherigen Geräte. Diese technologischen Entwicklungen stehen bereits in den Startlöchern, lang dauert es nicht mehr!“

Unternehmer:innen, die wissen wollen, ob VR auch etwas für Ihr Unternehmen wäre, empfiehlt Sitar, sich privat damit beschäftigen: „Kaufen Sie sich ein Oculus Quest 2 und schauen Sie, was passiert! Recherchieren Sie im Internet und schauen Sie, was Youtuber:innen berichten. Und last but not least: Kommen Sie zur Langen Nacht der Forschung am 20. Mai! Unsere Pforten in der Maximilianstraße in Innsbruck sind geöffnet.“

Eine dystopische Welt?

Chris Sitar will aber auch die kritischen Stimmen nicht außer Acht lassen, die vor einer dystopischen Welt durch VR warnen. Befürchtungen, wonach wir dann keine realen Begegnungen mehr hätten und komplett von der Realität abgeschnitten wären, teilt er nicht. „Unserer Erfahrung nach sind VR und AR einfach eine weitere Ebene, auf der wir kommunizieren werden.“

Allerdings appelliert er an die Verantwortlichen in der Politik, ein Auge darauf zu behalten und rechtzeitig verbindliche Regeln einzuführen, damit „unsere Persönlichkeit bei uns bleiben“ könne. Denn ob VR für uns in erster Linie Nutzen oder Schaden bringe, das hänge ganz entschieden davon ab, was wir daraus als Einzelne und als Gesellschaft machen.

Über Chris Sitar

Der Master of Graphic Design & 3D-Animation beschäftigt sich seit 20 Jahren professionell mit VR und AR. Als Gründer und CEO von Mediasquad realisiert er mit seinem Team für nationale und internationale Kund:innen VR- und AR-Projekte in den Bereichen 3D-Design, App-Entwicklung und Schulung.

Er arbeitete nach dem Studium als independent game developer und sammelte in Los Angeles Erfahrungen in Visual Effects. Mit dem Aufkommen von iPad und iPhone fand seine Faszination für interaktives Design neue Nahrung. Nachdem Oculus die erste Consumer-VR-Brille auf den Markt gebracht hatte, baute er sein Unternehmen Mediasquad komplett zu einer Agentur für interaktive Mediengestaltung um.

Christoph Sitar auf LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/christoph-sitar/
Mario Eckmaier auf LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/marioeckmaier/

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