Big Data ist in aller Munde und wir generieren mehr Daten denn je. Gleichzeitig wird weniger als ein Prozent der globalen Daten wirklich ausgewertet und genutzt.
Gründe dafür sind fehlende Budgets, mangelndes Know-how und eine Unternehmenskultur, die der Digitalisierung immer noch skeptisch gegenübersteht.
Wie es trotzdem gelingen kann, diesen verborgenen Schatz zu heben und für den eigenen Erfolg zu nützen, erzählt Mario Tuta, Datenanalyst, Big-Data-Experte und mein Gesprächspartner in dieser Podcast-Episode.
Du erfährst dabei auch,
• was man genau unter Big Data versteht,
• für welche Use Cases Big Data eingesetzt wird,
• wie Unternehmen vom Speichern, Analysieren und Auswerten von Daten profitieren,
• welche Rolle der Datenschutz und die DSGVO dabei spielen,
• warum die größte Gefahr für Daten von Mitarbeiter:innen ausgeht,
• woran Big-Data-Projekte scheitern können,
• dass Vornamen das Kaufverhalten beeinflussen und
• was die Chinesische Mauer mit Big Data zu tun hat.
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Ist Big Data Magie?
Mario Tuta’s Lieblingsautor ist Isaac Asimov. Der russisch-amerikanische Biochemiker und Science-Fiction-Schriftsteller hat einmal gemeint, dass jede fortschrittliche Technologie mit Magie gleichzusetzen sei. Das sieht Mario Tuta anders, auch wenn er zugibt, dass Siri und Alexa für ihn einen Touch von Magie haben. In Wirklichkeit seien die Instrumente und Prozesse dahinter aber sehr einfach zu verstehen.
Es gebe keine einheitliche Definition von Big Data, meint Mario Tuta. Aber wenn die Datenmenge so groß ist, dass sie nicht mehr auf einem Computer gespeichert werden kann, dann sei das bereits ein Big Data Use Case.
Laut einer Definition aus dem Jahr 2001 sind Daten dann Big Data, wenn sie zumindest eines der 3 V’s erfüllen:
1. Volume (Menge)
Wir produzieren weltweit täglich 44 Zetabyte Daten, das sind 44 Trillionen Gigabyte. Wer sich unter diesem Begriff wenig vorstellen kann: Das entspricht 258 Mal der Chinesischen Mauer, wenn man einen Ziegel mit einem GB gleichsetzt.
2. Variety (Vielfalt)
Man unterscheidet zwischen strukturierten Daten (Exceltabellen, Datenbanken) und unstrukturierten (E-Mails oder Social-Media-Posts).
3. Velocity (Geschwindigkeit)
Es gibt Maschinensensoren, die in 4 Millisekunden Daten schreiben.
Wie Unternehmen von Big Data profitieren
Der Digitale Darwinismus besagt, dass die Gesellschaft sich technologisch schneller weiterentwickelt als sich Unternehmen daran anpassen können. Dieses Paradoxon könne man mit Big Data auflösen, meint Mario Tuta. Und zwar, indem Unternehmen für Agilität sorgen und eine Unternehmenskultur schaffen, die Mitarbeiter:innen dazu befähigt, eigene Ideen umzusetzen.
Ein sehr schönes Beispiel dafür sei IBM: Die Firma brachte 1956 ihre erste Festplatte auf den Markt, die eine Speicherkapazität von 5 MB aufwies und mit einem eigenen LKW transportiert werden musste. 2017 stellte IBM einen solargepowerten Mikrochip her, der kleiner als ein Salzkorn war. Diese beeindruckende digitale Reise verdanke das Unternehmen seiner Agilität und dem Skillset seiner Mitarbeiter:innen.
Wofür Big Data eingesetzt wird
Grundsätzlich gebe es vier große Anwendungsfelder für Big Data, erklärt Datenanalyst Tuta:
1. Kostenreduktion
2. Prozessoptimierung
3. Entwicklung neuer Dienstleistungen
4. Besseres Verständnis von Kund:innen und Lieferant:innen
In diesen Bereichen helfe Big Data dabei, die Unternehmensstrategie anzupassen bzw. neu zu konzipieren.
Hier einige Beispiele:
- Kostenreduktion
Wenn ein vorhersehbarer Maschinenausfall (Predictive Maintenance) rechtzeitig erkannt wird, kann das Problem präventiv behoben werden. Dadurch erspart sich das Unternehmen Zeit und Kosten. - Prozessoptimierung
Mit Big Data können Maschinenstundenkapazitäten erhöht werden: Wenn mehrere Maschinen parallel produzieren, hilft eine Datenanalyse dabei, die richtigen Aufträge der passenden Maschine zuztueilen. - Entwicklung neuer Dienstleistungen
In dieser – laut Mario Tuta – „Spitzendisziplin“ eines Big Data Use Case können Unternehmen aus gesammelten Daten, die sie z. B. aus Apps gewonnen haben, neue Dienstleistungen oder Data Products entwickeln und weiterverkaufen. - Verbesserte Beziehung zu Kund:innen und Lieferant:innen
Mittels Datenanalyse werden Datentransfers zwischen dem Unternehmen einerseits und Kund:innen und Lieferant:innen andererseits optimiert. Außerdem könne man Zulieferfirmen ans Unternehmen binden, indem man Services anbiete, die andere nicht bieten.
Die digitale Roadmap oder Big Data nutzbar machen
Ob man Datenanalyse nun für große oder kleine Unternehmen einsetze, der Ablauf sei immer derselbe, betont Mario Tuta:
• Ziele definieren
• Eine Strategie entwerfen
• Ideen finden
• die passende Technologie bestimmen: Gibt es bereits Apps oder Datenbanken? Welche brauche ich für meine Idee? Wie komme ich auf Daten zu?
Professionelle Unterstützung von außen
Für eine erfolgreiche „digitale Reise“ brauche es Unterstützung durch externe Consultants oder Expertise im eigenen Haus, meint Tuta: „Diese können dann auch die viel verbreitete Angst vor dem Reiseantritt nehmen. Für viele Unternehmen hat Big Data immer noch eine magische Komponente. Da hilft es, möglichst klein und simpel anzufangen und den positiven Impact Schritt für Schritt zu beweisen.“
Daraus ergebe sich dann ein Kreislauf aus „Speichern – Analysieren – Auswerten – Output – Visualisierung – Start eines neuen Projektes“. Bei der Auswahl der passenden professionellen Begleitung empfiehlt der Datenexperte: „Achten Sie darauf, dass Ihnen nicht nur ein Produkt verkauft wird, sondern dass auch die Skills Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterentwickelt werden. Am besten sind Consultants, die Sie an der Hand nehmen und – zumindest am Anfang – gemeinsam mit Ihnen reisen.“
Datenschutz und -sicherheit
Die juristische Dimension dürfe im Umgang mit Daten nie außer Acht gelassen werden, warnt Tuta. Besonders kritisch sei die Lage bei personenbezogenen Daten, mittlerweile seien auch schon schmerzlich hohe Strafen aufgrund der DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung) verhängt worden. „Dass zum Beispiel Adresslisten quer durchs Unternehmen geschickt werden, dürfte es gar nicht mehr geben.“
Neben der DSGVO sollte man natürlich auch die Datenschutzbestimmungen in anderen Ländern kennen, mit denen man zu tun hat, und folgende Fragen eindeutig klären:
• Wem gehören die Daten (Data Ownership)?
• Wer hat darauf Zugriff?
• Wie stelle ich sicher, dass sie geschützt sind?
Soil statt oil
Sind Daten wirklich das neue Öl? Mario Tuta meint: „Jein.“ Im Gegensatz zu Öl seien Daten als wertvoller Rohstoff weder knapp, noch müssten sie kostenintensiv transportiert werden und sie verlören mit der Zeit auch nicht ihren Wert. Für ihn stellt Big Data nicht das „new oil“, sondern ein „new soil“ dar – also einen Nährboden, auf dem Ideen, Projekte und Erfolge wachsen und gedeihen.
Digitaler Reifegrad: Von Neulingen und Champions
Auf der Skala zwischen digitalen Neulingen, digital Bewussten, digital Orientierten und digitalen Champions liege Österreich noch im unteren Feld, findet Tuta. „Big Data wird vor allem von großen Konzernen genutzt, die über die finanziellen Kapazitäten und das nötige Know-how verfügen. Österreich, das vor allem KMUs hat, hinkt da noch hinterher.“
Aber die Entwicklung nehme Fahrt auf, meint der Big-Data-Experte. Immerhin gebe es jetzt einen eigenen Ausbildungszweig dafür und Unternehmen müssten den zukünftigen Absolvent:innen auch bei uns ein entsprechendes Arbeitsumfeld bieten.
Datenanalyse
Bisher kennt die Wissenschaft fünf Kategorien der Datenanalyse:
1. Deskriptive Analyse
Die gespeicherten Daten werden untersucht: Was fehlt? Sind die Daten Texte oder Zahlen? Sind sie fehlerhaft? Wie sind sie verteilt?
2. Diagnostische Analyse
Stehen die Variablen in einem Zusammenhang (Ursache – Wirkung)?
3. Prädiktive Analyse
Hier wird das erste Mal in die Zukunft geblickt: Was wird passieren? Wie wahrscheinlich ist es, dass die Kundin im nächsten Monat wieder kauft?
4. Präskriptive Analyse
Diese Kategorie inkludiert bereits Handlungsempfehlungen und simuliert zukünftige Ereignisse (Inflation, Einkommens- und Bevölkerungsentwicklung …).
5. Kognitive Analyse
Wie funktionieren kognitive Prozesse im Gehirn? Warum werden bestimmte Entscheidung getroffen?
Erfolgsfaktoren: Unternehmenskultur und Mitarbeiter-Mindset
Viele Big-Data-Projekte würden gar nicht erst gestartet, bedauert Datenanalyst Tuta, und zwar in erster Linie aufgrund von Datenschutzbestimmungen. Aber es gebe auch Projekte, die starten und scheitern, und das liege in zwei von drei Fällen an der schlechten Datenqualität.
„Fehlende, falsche oder vertauschte Daten führen natürlich zu keinem erfolgversprechenden Ergebnis“, meint Tuta. „Oft werden auch zu hohe Erwartungen an den Outcome gestellt. Man kann aber immer aus Fehlern lernen, sie korrigieren und für zukünftige Projekte mit einer besseren Datenqualität arbeiten.“
Am allerwichtigsten für eine erfolgreiche Analyse und Auswertung von Daten seien aber die Einstellung der Geschäftsführung und die Skills der Mitarbeiter:innen, betont Mario Tuta. „Je mehr Menschen die Vision mittragen, desto sicherer führt sie zum Erfolg. Eine offene und agile Unternehmenskultur ist daher das Um und Auf für den erfolgreichen Einsatz von Big Data.“
Mario Tuta
Der ausgewiesene Experte im Bereich Datenanalyse beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit Big Data. Er hat bei Swarovski das Team für Advanced Analytics, Big Data and AI geleitet. Mario Tuta ist heute als Unternehmer u.a. Gründer von Stoic Analytics und ist auch als Dozent am MCI tätig.
Mario Tuta auf LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/mariotuta/
Mario Eckmaier auf LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/marioeckmaier/