Problemfokussiert und datenbasiert agieren – das ist die Idee hinter Growth Hacking. Hendrik Lennarz, Gast in dieser Podcast-Ausgabe, beschreibt diese Marketing-Technik zur Wachstumssteigerung auch als „Scheitern in kleinen Schritten“.
Der Growth Hacking-Trainer, Coach und Buchautor aus Köln erzählt, warum es neben dem richtigen Mindset und der passenden Strategie auch einen langen Atem und eine rasche Umsetzung braucht. Er befreit das Experiment von seinem negativen Image, nennt Best-Practice-Beispiele und fordert einen rigorosen Wechsel von der Fehler- zur Lernkultur.
Außerdem erfährst Du in dieser Episode noch
· dass man beim Experimentieren nichts dem Zufall überlassen darf,
· warum die Kundenbrille eines der wichtigsten Marketing-Tools ist,
· was erfolgreiche Scrum Master von der japanischen Kaizen-Philosophie gelernt haben,
· dass man Aufbruchsstimmung nicht nur erzeugen, sondern auch halten muss,
· wie man von der Problemstellung zur Zielsetzung kommt und
· warum Hotmail mit Liebesbriefen erfolgreich wurde
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Nichts dem Zufall überlassen!
„Growth Hacking ist kein Wundermittel, aber es funktioniert, wenn man es richtig macht“, meint Hendrik Lennarz. Bis man den einen Growth Hack gefunden habe, der zum Wachstum führt, müsse man nämlich viele Ideen prüfen und Experimente durchführen.
Experimentieren heiße im Zusammenhang mit Growth Hacking allerdings nicht, wenig Ahnung zu haben, betont der Experte. Es bedeute, wissenschaftlich fundiert, mit System und der richtigen Form von Kreativität zu arbeiten. Die wesentlichen Prozessschritte dabei seien:
- Das Growth-Mindset
„Lasst uns das Problem analysieren und Lösungsideen entwickeln!“ - Die Strategie
Welches Problem wollen wir mit Growth Hacking lösen? - High-Speed-Umsetzung
Eine schnelle Umsetzung der Lösungsvorschläge ist wichtig. Jetzt geht’s ans Experimentieren.
Bei der Suche nach Lösungen ist jede Idee willkommen – priorisiert werde erst nachher. Die erfolgversprechendsten drei Vorschläge werden dann umgesetzt. Nach 30 Tagen wird gemessen, ob das Ziel erreicht wurde – wenn nicht, probiert man die nächste Idee. Man experimentiert so lange, bis ein Lösungsansatz funktioniert.
Es begann mit einem kurzen Liebesbrief
Den ersten offiziellen Growth Hack gab es 1996 bei Hotmail. In dieser Anfangszeit des Internet gab es weder Cloudservice noch Gmail, sondern Outlook Express auf einem PC zu Hause Das wollte Hotmail ändern und baute mit hotmail.com eine Website, von der man Mails abschicken und abrufen konnte. Allerdings fanden sich damals keine Investor:innen für diese Idee.
„Hotmail wurde dadurch zur Kreativität gezwungen – und dazu, sich die Kundenbrille aufzusetzen“, erklärt Lennarz. Beide Faktoren seien essenzielle Bestandteile des Growth Hackings. Hotmail habe daraufhin die Outlook-Express-User:innen als Zielgruppe definiert und mit einer genialen Idee erreicht: „PS: I love you. Get your free hotmail-Account!“ wurde zur Hotmail-Signatur hinzugefügt und sorgte für große Aufmerksamkeit bei den Empfänger:innen. Mittels Link wurden sie auf eine einfache Website geführt und über die Vorteile von hotmail.com informiert. Der Plan ging auf und ein Jahr später wurde Hotmail von Microsoft gekauft.
In kleinen Schritten scheitern
Growth Hacking sei viel mehr als „trial and error“, meint Hendrik Lennarz. Es sei ein agiles Entwickeln an den Kund:innen in kleinen Schritten. Im Marketing werde leider selten agil gearbeitet, sondern anhand einer Anforderungsliste eine Marketingkampagne erstellt. Mit Glück stehe das Unternehmen oder die Marke nach dem Launch besser da als vorher. „Aber niemand weiß, ob der Erfolg auf die Bilder, die Website, die Texte oder das neue Logo zurückzuführen ist“, erklärt Lennarz. „Beim Growth Hacking hingegen können Ursache und Wirkung klar zugeordnet werden und die gemessene Veränderung dient als datenbasierte Grundlage für den nächsten kleinen Schritt.“
Allerdings brauche es dazu auch das große Bild als Ziel. Und dieser Spagat zwischen kurzfristigen Lösungen und einer Fünf-Jahres-Vision sei eine große Herausforderung für viele Unternehmer:innen.
Von der Fehler- zur Lernkultur
„Fehlerkultur ist mehr als eine Meckerbox auf dem Flur!“, meint der Growth-Hack-Profi und nennt ein Beispiel: „Wenn ich 1.000 Euro in Tiktok-Ads investiere, dann möchte ich danach zumindest wissen, warum ich das Ziel nicht erreicht habe.“
Lennarz empfiehlt, das Scheitern als Freund zu betrachten – und nicht immer alles neu zu erfinden. Manchmal sei es gescheiter, mehr aus dem Bestehenden herauszuholen, anstatt auf Neues fokussiert zu sein.
Setz die Kundenbrille auf! oder:
Growth Hacking und die Krise
Wie wichtig es sei, immer wieder die Kundensicht zu reflektieren, illustriert Lennarz anhand eines firmeninternen Beispiels: Nachdem die Abschlussraten trotz übervoller Pipeline deutlich unter jenen des Vorjahres lagen, habe er jedes Schräubchen umgedreht – und den springenden Punkt gefunden: die aktuelle Krise.
„In dieser unsicheren Zeit sehnen sich Menschen nicht nach neuen coolen Dingen und wollen investieren, sondern sie sind froh, das Tagesgeschäft abliefern zu können“, erkannte Henrik Lennarz und reagierte darauf prompt mit einer Testkampagne zum Thema Sicherheit.
Digitales Thema – klassische Tools?
Growth Hacking ist in der Startup-Szene des Sillicon Valley entstanden und daher ausschließlich digital. Hendrik Lennarz hat die Prozesse aber so angepasst, dass sie auch für nicht digitale Anwendungen funktionieren. Vom Käsehersteller bis zum Maschinenbauer wollen jetzt z. B. viele Unternehmen einen digitalen Vertrieb aufbauen – ein Klassiker während der Corona-Pandemie.
Der Mindset-Arbeit komme in solchen Fällen eine besonders große Bedeutung zu, erklärt der Growth-Hacking-Experte. Danach werde die Strategie entwickelt, Ideen gesammelt und sortiert und sofort in die Umsetzung gegangen.
Seine Rolle dabei sei es, zu begleiten und das Denken auf die Growth-Hacking-Spur zu bringen. Denn eine Aufbruchsstimmung nicht nur zu erzeugen, sondern auch zu halten, bekomme man nicht alleine hin. Dazu brauche es Expertise von außen – und ein rasches Ins-Tun-Kommen.
Darüber hinaus sieht Lennarz es als seine Aufgabe, den Kund:innen die Angst davor zu nehmen, dass es nicht funktionieren könnte. „Hürden aufzubauen, das erlaube ich nicht“, stellt der Growth-Hacking-Profi klar. „Klar funktioniert das! Hauptsache, wir fangen an. Und wenn Fehler passieren: Willkommen in der Lernkultur!“
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Der Digital-Stratege
Mario Eckmaier
Hendrik Lennarz auf LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/lennarz/
unlock growth consulting von Hendrik Lennarz: https://www.unlock-growth.com/
Der Growth Hacking Podcast von Hendrik: https://www.unlock-growth.com/podcast/
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