Die Potenziale der Digitalisierung sollte man sinnvoll nutzen, anstatt sich dagegen zu wehren, meint Hannes Androsch, mein Gesprächspartner in dieser Podcast-Ausgabe. Der ehemalige österreichische Finanzminister & Vizekanzler sowie aktueller Aufsichtsratsvorsitzender von AT&S warnt aber auch vor möglichen Gefahren und plädiert dafür, rechtzeitig Vorkehrungen zu treffen.


Mein prominenter Gesprächspartner in dieser Podcast-Ausgabe ist bekannt für seine schonungslosen Analysen und seinen klaren Statements und er spricht unter anderem über die folgenden Themen:

  • Künstliche Intelligenz ist die Königsdisziplin der Digitalisierung
  • Veränderung braucht Windmühlen und keine Mauern
  • So wurde AT&S zu einem weltweit führenden Unternehmen
  • Müssen wir uns vor technologiebedingter Massenarbeitslosigkeit fürchten?
  • Wie muss sich unser Bildungssystem ändern?
  • Was wir uns von Krabbelkindern abschauen sollten

Vom richtigen Mindset
Mit seinem Buch „Digitalisierung verstehen“ will der mittlerweile Über-Achtzigjährige einem breiten Publikum ein Mindestverständnis vom digitalen Zeitalter vermitteln. Denn seiner Meinung nach sollten nicht nur junge Menschen damit umgehen können, sondern bis zu einem gewissen Grad auch Ältere und Älteste. Denn die Digitalisierung umfasse alle Lebensbereiche und könne in ihrer Bedeutung für die Gesellschaft mit der Industrialisierung verglichen werden – nur dass heute die Köpfe rauchen und nicht die Schornsteine.


Magna Charta für die digitale Welt
„Die Digitalisierung ist zu einem unabdingbaren Bestandteil unseres Lebens geworden“, sagt Androsch und fordert: „Wenn der Wind der Veränderung weht, soll man keine Mauern bauen, sondern Windmühlen. Denn Abschottung und Isolierung werden uns nicht weiterbringen.“

Man dürfe aber auch nicht übersehen, dass mit allen neuen Technologien Gefahren verbunden sind. Auch die Auswirkungen der Digitalisierung sind noch nicht abschätzbar – Stichworte Überwachungsstaat, gläserner Mensch, Cyberkriminalität, Erpressung durch Hacker usw.

Damit es uns nicht ergeht wie dem Zauberlehrling, der die von ihm gerufenen Geistern nicht mehr beherrschen konnte, brauche es ethische und rechtliche Grundlagen – eine „Magna Charta“ oder Straßenverkehrsordnung fürs digitale Zeitalter sozusagen.


Industrie 5.0 und die Gesellschaft
Bereits vor der Pandemie habe die Digitalisierung Fahrt aufgenommen und durch COVID-19 wurde dies noch beschleunigt, analysiert Hannes Androsch: „Leider hinken wir in Österreich hinterher. Inzwischen sind wir schon bei der Industrie 5.0 angelangt, dabei hat in vielen Bereichen 4.0 noch gar nicht begonnen.“ Der Umgang mit riesigen Datenmengen und Algorithmen werfe viele Fragen auf und wir müssten daher auch an die Gesellschaft 5.0 denken, fordert der Aufsichtsratsvorsitzender von AT&S. Er warnt vor einer Teilung unserer Gesellschaft in jene, die „kundig sind und gut verdienen“, und jene, die von der Entwicklung abgehängt werden.

Darüber hinaus müssten wir auch unsere Kinder gut vorbereiten, damit sie sich in dieser rasch ändernden Welt zurechtfinden. Der Schlüssel dazu sei Bildung – und lebenslanges Lernen ein absolutes Muss, auch für Ältere.

Künstliche Intelligenz – die Königsdisziplin der Digitalisierung
Die Angst vor technologiebedingter Massenarbeitslosigkeit sei uralt, meint Androsch. Aber in der Realität sei das Gegenteil der Fall: Es herrsche Arbeitskräftemangel „vom Tellerwäscher bis zum Informatiker“ – und zwar nicht nur aus demografischen Gründen.

KI erhöhe die menschliche Geisterkraft, weil sie in kürzester Zeit unglaubliche Datenmengen verarbeiten kann. Dazu werde der Mensch nie in der Lage sein. Allerdings glaubt Androsch nicht an eine Superintelligenz, die die Kontrolle übernimmt. Der Mensch müsse immer Herr der Maschine bleiben, dafür brauche es einen digitalen Humanismus.

Dass aus Zukunfts- und Verdrängungsängsten billiges politisches Kapital geschlagen werde, habe es schon im alten Athen und Rom gegeben. Und die Pandemie habe gezeigt, dass eine solche Strategie noch immer funktioniert. Gegen dieses Virus gebe es nur die Immunisierung durch Aufklärung, ist Androsch überzeugt: „Je besser gebildet eine Gesellschaft ist, desto weniger Erfolg haben Populisten.“  

Digitalisierung, Bildung und Politik
Leider sei die Politik zu sehr im Tagesgeschehen verhaftet und schaue zu wenig über den Tellerrand, meint der ehemalige Vizekanzler. Er appelliert daher an die Politik, „aus der Kreidezeit des Bildungswesens ins digitale Zeitalter zu kommen“. Denn Bildung sei eine der wenigen Möglichkeiten gegen Stagnation und Zukunftslosigkeit. Der Mitinitiator des österreichischen Bildungs-Volksbegehrens fordert  

  • einen Ausbau der frühkindlichen Betreuung,  
  • verschränkte Ganztagsschulen,
  • Schulneubauten,  
  • eine bessere Ausbildung, Auswahl und Bezahlung des Lehrpersonals, 
  • weniger Administrationsaufgaben für Lehrer:innen und  
  • mehr Gestaltungsraum für junge Menschen. 

Unsere Bildungspolitik ähnle einer Dressur am preußischen Kasernenhof, kritisiert Androsch und empfiehlt: „Wir sollten uns an den angelsächsischen Ländern orientieren. Dort werden in erster Linie Talente gefördert statt Schwächen verringert.“ 

Never ever give up! 
Zum Schluss unseres Gesprächs empfiehlt Hannes Androsch, sich ein Beispiel an Krabbelkindern zu nehmen. Diese würden in ihrem Bemühen, gehen zu lernen, „niemals aufgeben“. Nicht umsonst lautet so auch der Titel seiner Autobiographie. 

Über Dr. Hannes Androsch
Hannes Androsch studierte an der Hochschule für Welthandel in Wien. Nach seiner Promotion gründete er eine Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzlei und war auch Abgeordneter zum Nationalrat. Von 1970 bis 1981 war er österreichischer Finanzminister und zusätzlich von 1976 bis 1981 Vizekanzler in der Regierung Bruno Kreisky.

Von 1981 bis 1988 war Androsch Generaldirektor der Creditanstalt. Seit 1989 ist er international erfolgreicher Unternehmer mit Beteiligungen u.a. an der Salinen Austria AG und an AT&S, einem international führenden Leiterplattenhersteller.

Er ist darüber hinaus aber auch weithin anerkannter Vordenker und oft auch Mahner zu wichtigen wirtschafts-  und gesellschaftspolitischen Themen. Er bringt sich oft nachdrücklich und immer sehr klar mit seinen Positionen und Ansichten ein und bringt sich in vielfältigen und umfangreichen ehrenamtlichen Engagements ein. Unter anderem in der Bildungsinitiative für die Zukunft, viele universitäre Engagements bis hin zum Aufsichtsratsvorsitz des Austrian Institute for Technology.

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